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ICME Re-Analyse
Met Office hält den CME in dessen Einfluss wir uns augenblicklich noch befinden für den, der bei/nach der unten besprochenen komplexen Filament-Eruption am frühen 15.12. entstanden ist. Demnach wäre der in STEREO A zu sehende Halo Indiz für eine relativ schmale, aber schnelle Shockfront, die uns am Morgen des 17.12. erreicht hat. Es war ein unerwarteter direkter Treffer (kein Streifschuss) mit klar erkennbarer Shockfront, turbulenter Zone („Sheath“) gefolgt von einer magnetischen Wolke mit strukturiertem Magnetfeld („Flux Rope“). Der maximal erreichte Kp-Wert lag trotzdem „nur“ bei 6- zwischen 0300 und 0600 UTC weil die magnetische Nord-Süd-Komponente im Flux-Rope während der stärksten Phase durchgehend positiv also nördlich war (E-N-W oder N-W-S je nach Sichtweise) und der CME dadurch verhältnismäßig wenig „geoeffektiv“ sein konnte, in der Folge mit nur sporadischem Polarlicht in hohen und sehr hohen Breiten
Weiterhin interessant die sehr hohe Plasmadichte von zeitweise beinah 50 p/cm3 was zeigt, dass tatsächlich ziemlich viel Material der zuvor prall gefüllten Filament-Kanäle weggeschleudert wurde.
Die Fehleinschätzung bei Richtung und Geschwindigkeit des treibenden, schnellen zweiten großen CMEs ist vermutlich durch die Überlagerung mit dem ersten CME der riesigen Filament-Eruption (s.u.) in den Bildern der Koronografen begründet, die maßgeblich bei der Einschätzung der Startgeschwindigkeit sind. Vor allem die Shockfront ließ sich in SOHO/LASCO kaum erkennen.
Erwähnenswert ist noch, dass weder Solar Orbiter etwas östlich von uns noch STEREO A deutlich westlich von uns eine signifikante Expansion des Magnetfeldes aufgezeichnet haben. Der CME bleibt mysteriös.
Superschneller CME
Währenddessen hat sich auf der Rückseite gegen 1600 UTC ein extrem schneller CME auf den Weg gemacht. Mit geschätzten 3100 km/s (NASA M2M) würde er zu den schnellsten jemals gemessenen gehören – nur dass wir seine Geschwindigkeit nicht messen können, weil sich gerade kein Raumflugkörper mit entsprechenden Instrumenten „hinter“ der Sonne befindet. Die Eruption stammt möglicherweise von Region ex3912 (☞ raumwetter.de/raumwetter-2024-12-08-x2-2-flare-und-mehr) und zeigt, dass die Sonne noch viel zu bieten hat und sich Ereignisse wie im Mai oder Oktober 2024 durchaus noch mehrmals wiederholen könnten in den nächsten zwei bis drei Jahren, da die „heiße Phase“ nach dem/im solaren Maximum erst Anfang 2024 begonnen hat.
Im SOHO/LASCO C3 sieht man eindrucksvoll den Rückseiten-Halo:
Impact
2024-12-17 16:00 MEZ — Überraschend starker Impact (interplanetarer Shock) gegen 0440 UTC, vermutlich ein schneller CME mit verdichteten langsameren koronoalen Massenauswürfen (CMEs), die er vor sich hergeschoben hat (pfannkuchifizierte CMEs). Das Magnetfeld stieg sukzessive auf etwa 30 nT und die Geschwindigkeit erreichte knapp 700 km/s. Während die Nord-Süd-Komponente anfangs überwiegend im negativen Bereich lag zwischen -10 nT und -15 nT ist sie seit ca. 0600 UTC positiv, also nördlich was einer guten Polarlicht-Show entgegen steht. Es wird spannend, ob noch ähnlich starke Ereignisse mit verdichtetem Magnetfeld folgen. Interpoliert man den Verlauf der Bz- und By-Kurven so würde das Magnetfeld gegen 1800/1900 UTC wieder ins Negative kippen. Bis dann die Aurora wieder nach Süden wandert, kann es aber noch ein bisschen dauern. Für eine genaue Prognose ist es aber noch zu früh.
Aktualisierung
2024-12-16 17:00 MEZ — Korrektur zu NOAA-Enlil, Updates bei HUXt, MOSWOC und dem Fazit. SIDC Meldung ans Ende verschoben. Titel & Einleitung angepasst.
Im Moment: High Speed Stream
2024-12-16 04:00 MEZ — Im Moment befinden wir uns im Einfluss eines High-Speed-Streams des koronalen Lochs CH99 vermischt mit Anteilen von langsamen CMEs verschiedener Herkunft, die bereits zu leichter sporadischer Polarlicht-Aktivität in hohen Breiten geführt haben. Dabei werden weiterhin Episoden von Kp 4 (ACTIVE ) erwartet, kurzzeitig Kp 5 (G1 MINOR STORM) ist dabei nicht ganz ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit für Polarlicht-Sichtungen steigt zur Wochenmitte hin, ein heller Mond und wechselhaftes Wetter stören aber dabei.
Vorhersage: Sonnensturm-Doppelpack
Am späten 14.12./frühen 15.12. ereignete sich eine Eruption eines langen Filaments von W10 bis W60 (S25), das sich in ganzer Breite abgelöst hat – gut zu sehen im SUVI 304 Ångström-Kanal des GOES-R Satelliten der NOAA (Die Server des SDO-Satelliten sind noch immer offline nach einem Wasser-Rohrbruch in der Stanford-Universität). Die Geschwindigkeit ist eher langsam mit 410 km/s, die Eruption an sich jedoch recht beeindruckend anzuschauen.
Im SOHO LASCO Koronografen sieht man einen wunderschönen Lehrbuch-CME (koronaler Massenauswurf) mit deutlich südwestlicher Auslenkung – die Erde wird wohl nicht direkt getroffen.
Ein weiterer CME – diesmal mit deutlichem Halo (jedoch im weit entfernten STEREO Satelliten) – entstand gegen 0430Z wahrscheinlich in S19W18 / Region 3924. Geschwindigkeit ca. 500 km/s. Der Halo ist in STEREO A COR2 gut zu sehen, in SOHO/LASCO C3 sieht man deutlich das Doppelpack. Höchstwahrscheinlich wird dieser CME den langsameren vorherigen einholen, verdichten und beschleunigen sodass bei uns ein Ereignis mit mehreren Shockfronten eintreffen könnte am späten 17./18.12. Vielleicht werden wir auch nur von deren äußerster Flanke gestreift mit dementsprechend geringen geomagnetischen Auswirkungen.
Prognosen
NOAA/SWPC
… sieht nur ein 20%ige Chance für Kp 5 (G1 Minor Storm) am 17.12., allerdings verursacht durch vorherige Eruptionen. Der unten gezeigte Modelllauf ist vom 13.12., er zeigt also keinen der erwähnten CMEs sondern sehr langsame mehr oder weniger erdgerichtete „stealthy“ CMEs, d.h. in der Bildgebung kaum sichtbar, von den Vortagen.
NASA M2M
… hält Kp 4 bis 6 für das Doppelpack möglich; Ankunft gegen UTC Mitternacht am 17./18.12. (Enlil-Lauf für 2 CMEs)
MOSWOC
Beim Met Office Space Weather Operations Center ist in der Enlil-Animation eine dünne Front zu sehen, von der die Erde knapp gestreift wird am späten 18.12. Die Werte für die Geschwindigkeit sind sehr wahrscheinlich zu hoch.
Im Ensemble mit 25 Members zeigen einige Treffereigenschaften, was Met Office zu einer Angabe von 20% Wahrscheinlichkeit für einen Kp von 5-6 am 18.12. veranlasst.
Link: heliospheric_spaceweather_metoffice_gov_uk.content.swe.s2p.esa.int/enlil-earth.html – esa Login erforderlich
HUXt – University of Reading
Mit den Daten der gleichen Analyse von Met Office berechnet das HUXt-1D-Ensemble-Modell mit 500 Members eine Wahrscheinlichkeit von 76 % für einen Treffer bei einer gemittelten Eintreff-Geschwindigkeit von 550 km/s.
ELEvo (GeoSphere Austria)
Mit den Analyse-Daten aus der DONKI-Datenbank der NASA läuft das Drag-basierte CME-Prognose-Tool ELEvo des Austrian Space Weather Offices in Graz. Zu sehen am frühen 18.12. noch die sehr langsamen CMEs aus dem Südosten, die uns etwas streifen sowie ein breiter CME, der uns hier – zumindest in der horizontalen Komponente – mehr als nur streift, jedoch bei etwas späterer Ankunft als bei NASA. Die anderen CMEs dahinter werden eher nicht überholt sondern vielmehr mitgeschleift, falls sie etwa auf gleicher Höhe liegen.
SIDC
Das belgische Institut hält ICME-Impacts am 17.12. für möglich, die von Eruptionen am frühen 14.12. mit unklarer genauer Herkunft stammen. Die möglichen geomagnetischen Auswirkungen werden als gering eingeschätzt (Kp 3-5).
Fazit
Die gesteigerte Aktivität auf der Sonne bringt uns ein paar schöne Satellitenbilder – aber besonders viel erwarten sollten wir wohl nicht. Einige langsame CMEs der Vortage mischen sich ins Gemengelage und verkomplizieren die Vorhersage (mehr Plasma, mehr Magnetfeld aber Bremswirkung). Vielleicht reicht es für ein bisschen Mittelbreiten-Aurora am 17.12., 18.12. oder 19.12. Am 18.12. sind die Chancen im Moment am höchsten wie es scheint.
NOAA/SWPC zeigt für die hier erwähnten CMEs keinen Modelloutput, rechnet aber mit dem Eintreffen früherer CMEs ab dem 17.12. mit nur geringen Auswirkungen auf das Erdmagnetfeld. Modelle, die auf der NASA M2M Analyse beruhen sind eher optimistisch, was einen CME-Impact mit spürbaren Auswirkungen betrifft. NASA ist möglicherweise etwas zu früh mit der geschätzten Ankunftszeit der beiden größeren CMEs gegen 0000 UTC am 18.12. Es ist möglich, dass wir erst am Abend des 18.12. (Met Office) oder noch später von ihnen getroffen werden, falls überhaupt.
In allen Enlil-Modellen ist eine starke Zunahme der Geschwindigkeit des Hintergrund-Sonnenwindes ab dem 17./18.12. zu sehen. Die Ursache dafür ist unbekannt – es ist kein entsprechendes koronales Loch auszumachen, das diesen schnellen Sonnenwind erzeugen könnte. Bei ausbleibenden Anstieg könnten die Ankünfte teilweise auch noch später liegen als berechnet, was die erwartete Geoeffektivität nochmals verringern dürfte.
Da momentan das Erdmagnetfeld bereits etwas malträtiert wird vom High-Speed-Stream des koronalen Lochs CH99 könnte es dann, auch wenn es nur ein Streifschuss wird, schneller mal einen Substurm geben als in einem zuvor ungestörtem Magnetfeld. Und Filament-Eruptionen des oben erwähnten Kalibers wurden schon öfter unterschätzt in diesem Sonnenzyklus.
Mond & Wolken
Was die Polarlicht-Suche zur Herausforderung machen wird sind zum einen der sehr helle Mond (noch beinahe voll) mit Aufgang zur Abenddämmerung und Untergang deutlich nach der Morgendämmerung und zum anderen wahrscheinlich wenig bis keine Wolkenlücken in der Nacht vom 17.12. zum 18.12 in Mitteleuropa wobei einzelne Modelle stark voneinander abweichen und von komplett bedeckt bis größtenteils wolkenfrei in D/A/CH reichen. Für Nächte über den 17./18.12. hinaus ist es noch zu früh, eine Einschätzung abzugeben. Teilweise Bewölkung, die sich vor den Mond schiebt kann von Vorteil sein. Wolken, die vom Mond beschienen werden sind als helle Reflexionsflächen ein zusätzlicher Störfaktor.
Ausblick
Vom koronalen High-Speed-Stream wird erwartet, dass er sich langsam abschwächt ab 16.12. Weitere koronale Löcher mit dem Potential für eine Kopplung mit dem Erdmagnetfeld sind augenblicklich nicht in Sicht. Alle aktiven Regionen mit M-Klasse-Flare-Potential (und ganz leichtem – nur theoretischem – X-Klasse-Flare-Potential) befinden sich auf der westlichen Sonnenscheibe: Im Norden 3920, im Süden 3924 und schon fast hinterm westlichen Rand verschwunden 3917, keine davon besonders komplex oder im Wachstum also mit wenig Aussichten auf erwähnenswerte CMEs Richtung Erde im Moment. Filamente gibt es jedoch reichlich, das ein oder andere könnte sich ablösen und einen koronalen Massenauswurf produzieren.
Der Dezember ist statistisch gesehen der Monat mit den wenigsten geomagnetischen Stürmen im Jahr. Wer also bis Mitte Januar im Bett bleiben möchte oder in der Winterschlaf-Höhle wird aller Voraussicht nach nicht viel verpassen. Oder doch? (☞ Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.)
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