Lexikon: CME („Sonnensturm“)

☞ Koronaler Massenauswurf („Sonnensturm“)

Riesiger CME im SOHO/LASCO C3 Koronografen mit Kometen, der gerade ins Bild fliegt. CMEs können den Schweif von Kometen einfach wegblasen, falls sie ihn passieren

Coronal Mass Ejection oder auf deutsch Koronaler Massenauswurf (KMA, selten benutzt) – populär-wissenschaftlich auch „Sonnensturm“ genannt. Riesige Plasma-Ansammlungen, die von der Sonne geschleudert werden und wenn sie die Erde als ICME (interplanetarer CME) erreichen für Polarlicht sorgen können. Die Begriff ICME wird nicht häufig benutzt, obwohl es sinnvoll ist, sonnennahe und interplanetare CMEs zu unterscheiden da sich CMEs stark verändern umso weiter weg von der Sonne sie sind.

Weitere Bezeichnung: Transient v.a. für Auswurfmaterial – engl. „ejecta“ – mit unbekanntem Ursprungsort und Auswurfzeit nicht notwendigerweise mit CME-Struktur. Transient wird aber auch für andere Erscheinungen im Sonnenwind benutzt wie CIRs oder SBCs, insbesondere wenn sie nicht eindeutig zu identifizieren sind. Meine völlig unwissenschaftliche Bezeichnung dafür: Dschungel-Gelöt (Begriff geborgt von Studio Braun).

Der CME, der die hellen Polarlichter im Oktober 2024 ausgelöst hat waren eigentlich zwei wie man hier im SOHO/LASCO C2 Koronografen sieht

ICMEs sind für etwa 90% aller größeren geomagnetischen Stürme verantwortlich, ihre Zugbahn, ihre Entwicklung und die konkreten Auswirkungen eines Impacts zu berechnen ist schwierig und oft fehlerhaft, vor allem was den Eintreffzeitpunkt betrifft. Die Existenz von CMEs als eigenständiges Phänomen und Auslöser von Polarlicht ist erst seit den späten Neunzigern des letzten Jahrhunderts wissenschaftlicher Konsens.

☞ The solar flare myth – Gosling, 1993 (agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/93JA01896)

Koronale Massenauswürfe gehören für viele zu den spannendsten Erscheinungen des Raumwetters. Im Englischen ist der Begriff „Solar Storm“ als umgangssprachliche Bezeichnung sehr beliebt. Die deutsche Übersetzung „Sonnensturm“ wird dafür eher selten benutzt und trägt auch eher zur Verwirrung bei, da Sturm und Storm nicht deckungsgleich in der Bedeutung sind und zudem eine Verwechslung mit dem geomagnetischen Sturm oder dem Strahlungssturm schnell passieren kann.

Schematic of an ICME and upstream shock. Source: Zurbuchen and Richardson [2006].
Schema eines ICMEs mit vorgelagertem Shock und Flux-Rope.
Quelle: Zurbuchen and Richardson [2006].

Einem schnellen ICME läuft eine Shockfront voraus, die energetische Partikel produziert, gefolgt vom turbulenten „Sheath“, der Hülle oder dem Mantel, meist ein Bereich mit hoher Plasmadichte und erst dann folgt die eigentliche ICME-Hauptmasse (engl. „Bulk“) mit nochmals einer Front. Ein CME besteht aus Plasma (geladenen Teilchen), energetischen Partikeln („Strahlungssturm“, „Solar Energetic Particles“/“Energetic Storm Particles“) und extrem lang gezogenen Magnetfeldlinien, die noch nach Tagen mit der Sonne verbunden sein können. Meistens sind diese ineinander verdrillt, dann spricht man von einem „Flux-Rope“, weil sie aussehen wie ein Seil wobei Flux für den magnetischen Fluss also die Größe des Magnetfelds steht (analog zum elektrischen Strom als Größe des elektrischen Feldes). Als Magnetic Cloud (magnetische Wolke) wird die gesamte Struktur bezeichnet, wenn sie einem wohlgeformten ICME entspricht (s.Abbildung oben). Innerhalb von Flux-Ropes ist die Plasmadichte und auch die Temperatur sehr gering relativ zur Umgebung, deshalb wird angenommen, dass der oft beobachtete dunklere Bereich zwischen Front und hellem Kern dem Flux-Rope entspricht. Geomagnetische Effekte wie Polarlicht oder induzierte Ströme in Überlandleitungen entstehen bei der Passage der Erde vor allem durch die Wechselwirkung der Magnetfelder (Kopplung oder Abstoßung je nach Polarität) und der relativ hohen Geschwindigkeit des Sonnenwindes als Treiber. Für die Entstehung eines geomagnetischen Sturms mit hell aufleuchtender Aurora spielt die Plasmadichte im Sonnenwind nur eine sehr untergeordnete Rolle – anders als von vielen Polarlichtbeobachter:innen angenommen.

Representation-of-different-evolution-of-solar-wind-parameters-during-an-ICME-and-a-SIR-Kataoka-and-Miyoshi-2006
Unterschiedliche Entwicklung einzelner Parameter im Sonnenwind bei ICME und CIR (HSS)
Quelle: Kataoka and Miyoshi (2006)

ICMEs brauchen zwischen ein und fünf Tagen bis sie bei uns eintreffen. Langsamere sind kaum noch unterscheidbar vom Hintergrundsonnenwind und werden Teil davon. Extrem schnelle, energiereiche ICMEs können es auch unter 24h von der Sonne bis zur Erde schaffen. Das ist sehr selten, aber in so einem Fall können sie für erinnerungswürdige Ereignisse sorgen.

Lexikon A-Z

Lexikon: HSS, CIR

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