Lexikon: HSS, CIR (schneller Sonnenwind)

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High-Speed-Stream (HSS)

☞ Schneller Sonnenwind aus koronalen Löchern

Bild der Sonnenkorona im extremen UV (Wellenlänge 193 Angström) – Der dunkle Bereich emittiert kein Licht in dieser Wellenlänge. Weil diese Bereiche wie Löcher aussehen wurden sie koronale Löcher getauft. Sie blasen permanent Plasma mit hoher Geschwindigkeit in den interplanetaren Raum und sind der Ursprung von High-Speed-Streams

Schneller Sonnenwind, der aus sogenannten koronalen Löchern (keine echten Löcher – engl. Coronal Holes, kurz CH ) stammt formiert einen High-Speed-Stream. Die Definition von schnell ist dabei unterschiedlich: Die Grenze zu langsamen Sonnenwind liegt bei 400 km/s (manchmal wird 500 km/s oder so gar 600 km/s als untere Grenze genannt, wobei diese Einteilung willkürlich und nicht praxistauglich ist da nur zwischen schnellem oder langsamen Sonnenwind unterschieden wird.) 400km/s die definierte Obergrenze von langsamen Sonnenwind, folgerichtig muss alles was darüber hinausgeht als schnell gelten. Ein weiterer charakteristischer Unterschied ist die Plasmadichte: hoch im langsamen Sonnenwind., niedrig im schnellen. Im Maximum des ungefähren 11-Jahre-Sonnenzyklus ist ein High-Speed-Stream selten schneller als 550 km/s, in der abnehmenden Phase des Sonnenzyklus auch mal über 800 km/s schnell, und zwar dann, wenn die koronalen Löcher am Sonnenäquator an Größe und Anzahl deutlich zunehmen. Im solaren Minimum gibt es ausschließlich langsamen Sonnenwind da sich nur an den Polen der Sonne riesige koronale Löcher befinden, deren schneller Sonnenwind uns nicht erreicht (im Minimum hat die Sonne zwei magnetische Pole wie die Erde, im Maximum eine Vielzahl. Bereiche unterschiedlicher Polarität liegen eng beieinander, koronale Löcher (aus denen die „offenen“ Magnetfeldlinien treten) sind klein und variieren in der Größe stark, sodass sich kaum ein stabiler schneller Sonnenwind etablieren kann.

Diagramm des Enlil-Modells: LINKS: Sicht von Norden nach Süden auf die Planetenebene (Ekliptik), in der Mitte die Sonne, der gelbe Punkt ist die Erde MITTE: Seitenansicht/Querschnitt der Achse Sonne-Erde RECHTS: Querschnitt des äußeren Kreises in 2.2 Erdradien – Gelb und Orange schneller Sonnenwind aus koronalen Löchern bildet eine Spirale um die Sonne – die Parker-Spirale

High-Speed-Streams und insbesondere die eingelagerten SIRs (Stream Interaction Regions) bzw. CIRs (Corotating Interaction Regions) sind für etwa 10% aller größeren geomagnetischen Stürme verantwortlich – besonders in der abnehmenden Phase des Sonnenzyklus.

Sie können dann gut vorhersagbar über mehrere Monate hinweg immer wieder alle 27,5 Tage kräftige geomagnetische Stürme auslösen, die tagelang andauern können, wenn sie einmal um die Sonne rotiert sind und wieder in der geoeffektiven Zone ankommen. Die Aurora-Fans freuen sich, weil sie so sogar ihren Tromsø-Urlaub Wochen oder Monate vorher planen können. Satelliten- und Stromnetzbetreibern treiben sie dagegen Schweißperlen auf die Stirn, weil sie tagelang mit den andauernden Auswirkungen eines stark gestörten Magnetfeldes zu tun haben. Menschen und Dienste in nördlichen Breiten, die auf GPS angewiesen sind müssen ihre Aktivitäten auf die helle Tageszeit verlegen, weil dann am wenigsten Schwierigkeiten mit der zentimetergenauen Navigation auftreten.

Im interplanetaren Raum kann ein High-Speed-Stream langsame ICMEs beschleunigen, schnelle ICMEs abbremsen, sie verformen, wegschieben und anderweitig komplex mit ihnen interagieren. ICMES können in ihnen eingebettet und schwer zu erkennen sein, wenn sie unbemerkt und ohne auffälliges Aufleuchten (Röntgen- oder Radio-Flares) in der Nähe von koronalen Löchern entstehen und so für völlig überraschende starke geomagnetische Stürme sorgen.

Schneller Sonnenwind in der Nähe von ICMEs ist immer eine Herausforderung für die Vorhersage des Raumwetters.

Stream Interaction Regions (SIR) & Corotating Interaction Regions (CIR)

Eine Stream Interaction Region mit verdichtetem Plasma und von ihr produzierte Schockwellen:

Schematics-of-a-stream-interaction-region-Source-Jian-et-al-2006
Schema einer Stream Interaction Region – Schneller Sonnenwind trifft auf langsamen Sonnenwind und produziert Stoßwellen (Shocks), die zu geomagnetischen Störungen führen können
Quelle: Jian et al (2006)

Die Begriffe CIR und SIR werden oft synonym benutzt, obwohl der Definition nach nur eine Stream Interaction Region, die mindestens ein zweites Mal die Sonne umrundet als Corotating Interaction Region bezeichnet wird. Treffen zwei oder mehr Interaction Regions aufeinander und verschmelzen haben wir dann eine Merged Interaction Region, MIR, und damit ist der Zoo komplett. Zu allem Überfluss wird im Alltag des Raumwetterbetriebs selten zwischen CIR, SIR, HSS und „schnellem Sonnenwind“ unterschieden, was aber in der Praxis auch nicht besonders schlimm ist.

Representation-of-different-evolution-of-solar-wind-parameters-during-an-ICME-and-a-SIR-Kataoka-and-Miyoshi-2006
Unterschiedliche Entwicklung einzelner Parameter im Sonnenwind bei ICME und CIR (HSS)
Quelle: Kataoka and Miyoshi (2006)

Lexikon A-Z

Lexikon: CME

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