CME Prognosen
Die Zugbahn Koronaler Massenauswürfe (CMEs) kann berechnet werden, nachdem ihr Ursprungsort, Startgeschwindigkeit, Richtung, Breite u.a. anhand der Auswertung der Bilddaten der SOHO/LASCO, STEREO/SECCHI und SDO/AIA Satelliten ermittelt wurde. Die Analysen von NASA und MOSWOC (Met Office UK) werden publiziert und auch von anderen Diensten benutzt um ihre Modelle laufen zu lassen. NOAA/SWPC veröffentlicht ihre Analysen nicht, nur die Ergebnisse des neuesten Modelllaufs.
NOAA/SWPC
WSA-Enlil Modellauf des US-amerikanischen Space Weather Prediction Centers – unten im Bild steht der Modus: Ambient, falls kein CME berechnet wurde; CME falls ein oder mehrere CMEs berechnet wurden
Im Zentrum des Kreises ist die Sonne, der grüne Punkt rechts davon ist die Erde. Abgebildet ist die Ekliptik-Ebene, also die Ebene in der sich die Planeten um die Sonne bewegen. Wir schauen von oben (Norden) auf die Ebene. Der Halbkreis zeigt einen Querschnitt mit Nord-Süd-Achse – wir schauen also seitlich auf die Situation. Rechts im Bild der eindimensionale Verlauf der Parameter Dichte und Geschwindigkeit. Unten im Bild noch der Zeitpunkt, an dem der Modelllauf gestartet wurde 2024-10-19 0000 UT in diesem Fall. Unten rechts steht, wann der Lauf fertig war, also das entsprechende Bild gerendert wurde. NOAA rendert oft nur einen CME, auch wenn mehrere unterwegs sind und ausschließlich solche, die das Potential haben, die Erde zu treffen und signifikante Effekte auszulösen.
https://www.swpc.noaa.gov/products/wsa-enlil-solar-wind-prediction
NASA Moon 2 Mars
Etwas komplizierter zu finden und eher etwas für Fortgeschrittene sind die WSA-Enlil-Modellläufe des Community Coordinated Modeling Center (CCMC), die vom NASA Moon to Mars Space Weather Analysis Office (M2M) mit Daten gefüttert und ausgeführt werden. Beide Abteilungen sind im Goddard Space Flight Center in Maryland nordöstlich von Washington, D.C. angesiedelt
Alle analysierten CMEs und bei relevanteren auch die zugehörigen WSA-Enlil-Modellläufe sind in der Space Weather Database Of Notifications, Knowledge, Information (DONKI) zu finden. NASAs Fokus liegt dabei nicht unbedingt primär auf erdgerichtete CMEs, deshalb gibt es Läufe für einzelne Planeten, Sonden und unterschiedliche Entfernungen von der Sonne. Weiterhin gibt es manchmal gesonderte Läufe für die Shockfront sowie den „Leading Edge“ wobei die Shockfront nur zur Unterstützung für weitere Berechnungen der SEPs (Solar Energetic Particles) dient und nicht für CME-Vorhersage benutzt werden sollte. Es kommt auch vor, dass CME-Zugbahnen nochmals berechnet werden nachdem bessere Daten verfügbar sind. Die älteren Läufe werden dann als „false“ gekennzeichnet. Die Anzeige der Daten erfolgt erst nach Klick auf den „Search“ Button.
kauai.ccmc.gsfc.nasa.gov/DONKI
Erdgerichtete CMEs werden in der Regel ins CME Scoreboard gestellt zusammen mit Berechnungen anderer Agenturen aber auch einzelner Personen. Hauptzweck des Scoreboards ist, die unterschiedlichen Prognosen systematisch und standardisiert zu erfassen um sie wissenschaftlich auswerten zu können. Interessant hierbei ist die manchmal extrem große Spannbreite der Prognosen, die auch schon mal deutlich mehr als 48 Stunden betragen kann – vor allem wenn Bilder von Koronografen zum Startzeitpunkt fehlen. Das zeigt:
☞ Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.
kauai.ccmc.gsfc.nasa.gov/CMEscoreboard
Auf einigen World-Wide-Web-Homepages ist der jeweils neueste Enlil-Lauf verlinkt, was aber meistens wenig nützt, da es anders als bei NOAA/SWPC nicht den einen offiziellen Lauf gibt sondern zig verschiedene mit unterschiedlichen Parametern für unterschiedliche CMEs. Komfortabel durch die einzelnen Läufe kann man sich in der ISWA Web App klicken, die muss man sich aber erst selbst zusammenbauen oder man lädt eine JSON-Datei, die bereits die Konfiguration enthält:
ccmc.gsfc.nasa.gov/tools/ISWA/
iswa.gsfc.nasa.gov/IswaSystemWebApp/ (Das Laden im Browser dauert meist etwas)
Links zu sehen der Lauf für den CME vom 9.10.2024, rechts ein Ensemble-Lauf für einen CME vom 1.10.2024 (kam nicht bei uns an).
Die JSON-Datei ist gezipt und muss vor dem Benutzen („Load Layout“) entpackt werden.
ASWO
Das Austrian Space Weather Office in Graz ist ganz vorne dabei bei der Weltraumwettervorhersage und betreibt die mit Informationen vollgestopfte Seite helioforecast.space auf der auch der Output des ELEvo-Modells jede Stunde neu zur Verfügung gestellt wird. Darin werden sämtliche Zugbahnen aller analysierten CMEs aus NASAs DONKI Datenbank berechnet und dargestellt. Das Modell ist insofern unrealistisch, als es keinen Hintergrundsonnenwind mit einbezieht und keine CME-Wechselwirkungen berechnet, stattdessen ziehen schnelle CMEs einfach an langsamen vorbei was im echten Weltraum so wohl eher nicht passieren würde, denn aneinandergereihte CMEs unterschiedlicher Geschwindigkeit werden nach neuem Forschungsstand pfannkuchifiziert („pancaked“) – abgebremst, verdichtet und deren Magnetfelder verstärkt. Das macht aber nichts, denn ELEvo liefert einen guten Überblick über das aktuelle Geschehen im interplanetaren Raum und hat nicht selten bessere Trefferquoten als die hier beschriebenen Enlil-Modellläufe, bei denen der Hintergrundsonnenwind oft zu hoch oder zu niedrig angesetzt ist.
Der Kreis stellt die Ekliptik-Ebene dar, wir schauen von oben auf den Sonnennordpol Im Mittelpunkt der Scheibe. Am rechten Rand der grüne Kreis ist die Erde, die weiteren Flecken Raumflugkörper und Planeten. Die blauen Bögen mit den Schatten sind vereinfachte Darstellungen von CME-Shockfronten. Rechts im Bild oben Magnetometerdaten für das interplanetare Magnetfeld am L1-Lagrange-Punkt, darunter für den STEREO-A-Satelliten. Ganz unten die Geschwindigkeit des Sonnenwindes am L1 und bei STEREO.
☞ Um die Animation zu sehen auf der Seite helioforecast.space/cme auf das Bild klicken (dass es ein Video ist, ist nicht auf den ersten Blick offensichtlich).
UK Met Office Space Weather Operations Centre (MOSWOC)
Das Met Office ist der staatliche Wetterdienst für das Vereinigte Königreich und hat eine eigene Abteilung für Raumwetter. Textprognosen, Watches und Warnings für geomagnetische Stürme ab Kp 7 sowie eine eher dürftige bildbasierte Aurora-Oval-Prognose sind auf deren Website www.metoffice.gov.uk/weather/specialist-forecasts/space-weather zu finden.
The Met Office Space Weather Operations Centre (MOSWOC) is one of a handful of 24/7 space weather prediction centres around the globe.
Wer detaillierte Informationen und die Ergebnisse der Enlil-Runs sehen möchte braucht entweder einen Met Office Profi-Account (kann man per E-Mail beantragen) oder einen Account beim esa Space Weather Portal. Letzterer ist kostenlos und kann schnell eingerichtet werden.
Der Link dorthin: swe.ssa.esa.int/metoffice-enlil-e-federated. Ensemble-Runs werden nicht immer durchgeführt und fehlen deshalb manchmal auf der Seite. Es ist wichtig, den Kommentar des diensthabenden Forecasters zu lesen, da dieser oft die Qualität bzw. Brauchbarkeit der Ergebnisse beschreibt – das ist bei jedem anderen hier vorgestellten Modelllauf ebenso zu empfehlen.
HUXt Forecast (University of Reading)
Die University of Reading in England hat ein eigenes Modell zur Berechnung der CME-Ausbreitung entwickelt. Es ist überschaubar, schön anzusehen und es kann mehrere sich beeinflussende CMEs gleichzeitig simulieren. Es berücksichtigt den Hintergrundsonnenwind. Das große Alleinstellungsmerkmal ist die schnelle Berechnung von Ensembles mit mehreren hundert „Members“. Damit können Wahrscheinlichkeits-Bereiche, also Spannbreiten für Eintreffzeitpunkt und Geschwindigkeit einfach dargestellt werden. Die Analysen der Startparameter für CMEs stammen vom Met Office – das Modell kann deshalb immer nur so gut sein wie es die Analysen vom Met Office sind. Mein Eindruck ist allerdings, dass das Met Office oft eine etwas bessere Trefferquote hat – aber das ist nur ein Gefühl – nicht empirisch geprüft. Oft ändern sich der Ergebnisse noch mehrmals nach dem ersten Lauf für einen bestimmten CME, manchmal weil die CME-Parameter nachträglich geändert werden, manchmal weil die Werte für den Hintergrundsonnenwind oder den aktuell gemessenen Sonnenwind sich ändern. Also Obacht und lieber nochmal reinschauen vor dem erwarteten Impact!
Unter der URL
☞ research.reading.ac.uk/met-spate/huxt-forecast/
lässt sich die 2D-Animation finden – mit der kleinen Besonderheit, dass sich die Erde während der Animation weiterdreht. Außerdem die Übersicht der Ensemble-Vorhersage mit Darstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung und einem Querschnitt des 1 AU-Radius um die Sonne mit der Erde im Zentrum darauf farbig markiert die CMEs mit Trefferpotential:
Fun Fact: In Reading befindet sich auch das ECMWF – das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage.
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Fortsetzung folgt…
▷ WSA ► Wang-Sheeley-Arge Modell, semi-empirisches Modell, das das Ausströmen des Sonnenwindes in der Nähe der Sonnenoberfläche simuliert
▷ Enlil ► Gott des Windes – Hauptgott des sumerischen und akkadischen Pantheons – und ein ausgeklügeltes drei-dimensionales magneto-hydro-dynamisches numerisches Modell, das die Strömungs-Entwicklung bis zur Erde simuliert.